Hermann Adam: Finanzpolitik – Eine Einführung
Über Steuern, Ausgaben und Schulden greift der Staat in die Wirtschaft ein – doch wie weit soll sein Einfluss reichen? Hermann Adam erklärt in seinem Einführungswerk die Grundlagen der Finanzpolitik und stellt zwei Modelle gegenüber: den schlanken Staat mit geringen Ausgaben und niedriger Verschuldung, und den aktiven Staat, der soziale Leistungen finanziert, umverteilt und dafür auch höhere Schulden in Kauf nimmt. Unsere Rezensentin Julia Kiesow-Udwari lobt die klare Struktur und Aktualität des Buches – besonders geeignet für Einsteiger*innen und die Lehre.
Eine Rezension von Julia Kiesow-Udwari
Hermann Adam befasst sich in seinem Buch zur Finanzpolitik mit nichts weniger als „den Einnahmen und Ausgaben des Staates und ihren Wirkungen“ (9). Auch wenn diese Aussage zunächst banal klingen mag, so verbirgt sich doch gerade dahinter die Komplexität der Finanzpolitik. Umso wichtiger scheint es, den Begriff der Finanzpolitik sowie deren Ziele und Aufgaben zu definieren und sie gleichzeitig von der Finanzwirtschaft sowie auch der Geldpolitik einer Zentralbank abzugrenzen. Dabei steht die Frage im Raum, welche Rolle die Finanzpolitik bei den grundlegenden wirtschaftspolitischen Aufgaben des Staates wie beispielsweise der Stabilisierung des Wirtschaftsablaufs, der Ressourcenallokation oder der Umverteilung spielen kann und welche Instrumente ihr dabei zur Verfügung stehen.
Staatseinnahmen und -ausgaben
Zur Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Staatsapparates gehört eine ausreichende finanzielle Ausstattung des Staatshaushaltes. Das Buch gibt dahingehend zunächst eine sehr ausführliche, jedoch stets äußerst pointierte Einführung in die staatlichen Einnahmequellen, in der die verschiedenen Steuern sowie das gesamte Steueraufkommen des deutschen Staatshaushaltes einerseits und die Sozialabgaben andererseits erläutert werden. Insbesondere Leser*innen, die an einem zusammenfassenden und akzentuierten Überblick über die verschiedenen Staatseinnahmen und an deren Entwicklung im historischen und parteipolitischen Kontext interessiert sind, werden hier fündig. Dabei gelingt es, die lexikonähnlichen Infoboxen derart einzubetten, dass ein sofort verständliches Gesamtbild entsteht.
Wenn man sich mit den Staatseinnahmen auseinandersetzt, sollte man sich zwangsläufig auch mit den Staatsausgaben beschäftigen. Insbesondere in diesem Punkt ist es dem Verfasser wichtig, ein Verständnis für den volkswirtschaftlichen Geldkreislauf zu schaffen. Denn die staatliche Ausgabenstruktur sieht vor, dass staatliche Einnahmen auf der einen Seite generiert werden und damit zum Beispiel Bürger*innen belastet werden, gleichzeitig aber auf der anderen Seite unterschiedliche Geldströmungen vom Staat an Unternehmen und private Haushalte fließen. Stehen diese Einnahmen und Ausgaben nicht in einem exakt ausgewogenen Verhältnis, kommt es entweder zu einem Haushaltsüberschuss oder zur Staatsverschuldung. Letzterer widmet der Verfasser einen großen Teil seines Einführungswerkes, was aufgrund der hohen Aktualität des Themas gerechtfertigt ist. Ein Verständnis für den Begriff der Staatsverschuldung zu schaffen, der sowohl in Wissenschaft als auch in Politik und Medien omnipräsent ist, ist an dieser Stelle unabdingbar. Hierfür wird zunächst ein kurzer historischer Überblick über die Entwicklung der Staatsverschuldung gegeben, bevor ganz konkrete Fragen der Kreditaufnahme des Staates oder des Außenhandels behandelt werden.
Rolle des Staates in der Wirtschaftspolitik
Wenn über die Wirkungen finanzpolitischer Maßnahmen gesprochen wird, ist es essenziell, die beiden in der Wirtschaftswissenschaft gegenüberliegenden Thesen zur Rolle des Staates in der Wirtschaftspolitik zu thematisieren. Auf der einen Seite findet sich folgende Vorstellung: „Der Staat soll nur wenig Steuern erheben und dementsprechend auch wenig ausgeben“ (61). Als Position der konservativ-liberalen Strömung soll der Staat sich hierbei lediglich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Erfüllt der Staat die Aufgaben der äußeren Sicherheit, der inneren Sicherheit und der Verwaltung, ist seiner Verpflichtung genüge getan.
Demgegenüber vertritt die Aussage, dass „der Staat […] über seine Kernaufgaben hinaus auch für die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen sorgen [soll], von deren Nutzen niemand ausgeschlossen werden soll“ (61) die konträre Auffassung, die sich letztlich nicht nur in einem anderen Menschenbild (mehr gesellschaftliche, weniger individuelle Verantwortung), sondern auch in einem abgewandelten Verständnis der Staatsaufgaben und der Steuern widerspiegelt. So muss der Staat gemäß dieser Position auch soziale Grundbedürfnisse gewährleisten und darf und muss zu deren Finanzierung hohe Steuereinnahmen generieren.
Der Staat als Lenkungs- und Umverteilungsakteur
Wie bereits im einführenden Kapitel des Werkes deutlich gemacht wurde, ist die staatliche Umverteilung als eine wesentliche Aufgabe des Staates definiert worden. Insbesondere die Finanzpolitik muss als das wichtigste Steuerungsinstrument der Umverteilung gesehen werden. Der Verfasser greift zur Illustration dieser Lenkungs- und Umverteilungswirkung auf konkrete Beispiele zurück. So beleuchtet er beispielsweise das Investitionshilfegesetz und das Lastenausgleichsgesetz (beide aus dem Jahr 1952), den Solidaritätszuschlag von 1991 und die ökologische Steuerreform von 1999 im Hinblick auf ihre lenkungs- und verteilungspolitischen Wirkungen. Gerade diese konkreten Beispiele erleichtern es den Rezipient*innen enorm, die Lenkungswirkung bestimmter Maßnahmen nachvollziehen zu können. Gleichzeitig lässt sich auch die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung der staatlichen Umverteilung – auch in Verbindung mit der parteipolitischen Couleur der jeweiligen Regierungskoalition – in der Bundesrepublik Deutschland nachvollziehen. Zuletzt werden aktuelle Umverteilungskonzepte wie die Vermögensteuer oder die Erbschaft- und Schenkungssteuer in ihren Verteilungswirkungen diskutiert.
Staatsverschuldung und Schuldenbremse
Die insgesamt hervorzuhebende Aktualität des Buches zeigt sich insbesondere auch darin, dass dem gegenwärtigen kontrovers diskutierten Thema der Staatsverschuldung ein umfangreiches Kapitel gewidmet wird. In diesem wird die Staatsverschuldung in ihren unterschiedlichen Facetten und Kontexten thematisiert. Neben den verfassungsrechtlichen Grundlagen werden unter anderem auch die Zusammenhänge zwischen Staatsverschuldung und exogenen Schocks, aber auch die in Politik und Öffentlichkeit diskutierten Themenkomplexe der Generationengerechtigkeit und einer Schuldenbremsenreform vorgestellt. Wichtig ist dem Verfasser dabei, dass die Wissenschaft „keine objektiven Erkenntnisse [liefert], wie hoch die Staatsverschuldung sein und wie weit der Wohlfahrtsstaat gehen darf. Es geht in der Finanzpolitik somit nicht um richtig oder falsch, sondern um politisch zu entscheidende Verteilungsfragen: Wie soll die Infrastruktur eines Landes aussehen, in welchem Umfang sollen die ärmeren Bevölkerungsschichten in der Gesellschaft unterstützt werden, und wer hat wieviel dafür zu bezahlen“ (187).
Auch der föderale Aspekt der deutschen Finanzpolitik wird abschließend nicht außer Acht gelassen. Hier zeigen sich ebenso die grundsätzlichen Vorzüge des Buches, dem es auch in diesem Kapitel gelingt, äußerst prägnant und pointiert in die Grundlagen des Deutschen Finanzföderalismus einzuführen.
Fazit
In der Zusammenschau handelt es sich bei vorliegendem Buch um ein Einführungswerk, das einen sehr gelungenen Einblick in die deutsche Finanzpolitik gibt. Es umfasst dabei nicht nur die wesentlichen inhaltlichen Kernelemente der deutschen Finanzpolitik, sondern thematisiert die Aspekte in einem sehr ausgewogenen Verhältnis zwischen Ausführlichkeit und Fokussiertheit. Außerdem besticht es durch seine Aktualität und dadurch, dass die auch in der Öffentlichkeit diskutierten Thesen (wie zum Beispiel den Umgang mit der Staatsverschuldung oder der Schuldenbremse) zum Tragen kommen. Flankiert werden die Darstellungen durch aussagekräftige Grafiken und Schaubilder.
Insbesondere Leser*innen, die sich einen schnellen, aber dennoch prägnanten Überblick über die einzelnen Aspekte der deutschen Finanzpolitik verschaffen wollen, ist das Buch sehr zu empfehlen. Und auch im Rahmen der akademischen Lehre kann es sehr sinnvoll eingesetzt werden.
Gerade dadurch, dass die Finanzpolitik Bürger*innen in enorm vielen Teilbereichen mittelbar und unmittelbar tangiert, herrschen auch unterschiedliche Meinungen vor, ob die Finanzpolitik ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ bzw. ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ handelt. Um diese Frage für sich selbst beantworten zu können, vermittelt das Buch die nötigen fachwissenschaftlichen Grundlagen und macht zudem deutlich, dass „[d]as Urteil über eine finanzpolitische Maßnahme […] vielmehr davon ab[hängt], welche Aufgaben man dem Staat zuerkennt und welche Ziele mit der Finanzpolitik erreicht werden sollen“ (209).